App-solut überflüssig?

„Are mobile Apps worth it for cultural organisations? The short answer: No“

So propagiert Colleen Dillenschneider das Ergebnis ihrer Datenanalyse auf ihrer Website. Aktuell scheint ein Boom der mobilen Apps in unterschiedlichen Kultureinrichtungen vorzuherrschen. Dies geschieht meist in der Hoffnung, mit den digitalen Medien neue Besuchergruppen anzusprechen und das Publikum aktiv einzubeziehen. Doch aus der unerfreulichen Bilanz der US-amerikanischen Forscherin lässt sich folgern, dass eine App alleine kein Heilmittel ist.

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mobile onsite usage, Bildquelle: Colleen Dillenschneider

Auf Basis Daten der NAAU-Studie zeigt sich, dass Apps in Kultureinrichtungen (Theater, Museen, Synphonien, auch Zoos etc.) mit einer vor-Ort-Nutzung von 4,1% erschreckend schlecht abschneiden. Als Informationsquelle kommen an erster Stelle die Sozialen Medien (52,3%!), dann das mobile Web (31,5%), die zwischenmenschliche Kommunikation (29,7%) usw. Eine mögliche Hemmschwelle kann sein, dass die App zuhause oder vor Ort heruntergeladen werden muss- es handelt sich also um solche Anwendungen, die auf dem eigenen Gerät benutzt werden.
Eine zweite Infografik zeigt, dass die Zufriedenheit der Besucher, die Social Media oder das mobile Web benutzen, höher ist, als bei Besuchern, die das nicht tun. Dies ist bei Apps nicht der Fall, dort gibt es kaum Unterschiede. (Und die Zufriedenheit ist natürlich ein zentrales Anliegen der Kulturvermittlung und Besucherförderung!)
Dillenschneider schlussfolgert abschließend, dass die Kultureinrichtungen keine Ressourcen an Apps verschwenden sollen, die ihrer selbst, der Modernität oder der Technologie willen umgesetzt werden.

Diese Ergebnisse legitimieren meines Erachtens nach keine Abwehrhaltung gegen Apps in Kultureinrichtungen oder gar gegen digitale Vermittlungsmethoden generell. Vielmehr zeigt die Datenanalyse, dass die Konzepte inhaltlich durchdacht, pädagogisch konzipiert und auf die Bedürfnisse der Besucher abgestimmt sein müssen!
So könnten Gründe für den großen Schwerpunkt auf den Sozialen Medien und der zwischenmenschlichen Kommunikation sein, dass das durchschnittliche Publikum stark am Prinzip des Teilens, Vernetzt-Seins und  Kommunizierens interessiert ist- das Kulturerlebnis soll ein gemeinsames sein. Zudem wird das mobile Web dem Wunsch nach gezielten Informationen je nach subjektivem Interesse gerecht. Dieses Bedürfnis nach Kommunikation und Information kann und muss in einer Kultureinrichtung berücksichtig werden. Als nur eine von vielen Möglichkeiten sei da der Instawalk genannt- bei einem stimmigen Konzept wird hier auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Kulturgut angeregt.

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Mittlerweise gibt es viele Konzepte, die Social Media im Museum einbinden! Bildquelle: Pixabay

Vermittlungsprogramme sollten in eine Gesamtstrategie der Öffnung und Partizipation der Kulturinsitutionen eingebunden werden. Dann kann eine mobile App ein wunderbare Möglichkeit zur Vermittlung sein. So schreibt auch Julian Barzen von Pausanio: „Eine App kristallisiert sich für mich als das perfekte Instrument heraus, um viele Besucherwünsche zu integrieren und die Besucher auf spannende Weise an die Kultureinrichtung zu binden. Es gibt kaum einen einfacheren Weg, in Kontakt mit der relevanten Zielgruppe zu kommen und Informationen über das Museum zu distribuieren.“ Auch die fröbus-Studie zeigt dies- so würden 55% der Besucher eine mobile Anwendung für das Smartphone oder Tablett verwenden.

Denkbare Vorteile einer fundiert konzipierten App werden auch vom IWM Leibnitz-Institut für Wissensmedien genannt: „Audioguides und mobile, digitale Anwendungen mit Angaben von Details und Blickrichtungen können Museumsbesucher dabei unterstützen, die wichtigen Bereiche und Inhalte eines Bildes zu erfassen und damit die Zusammenhänge im Gemälde besser zu verstehen.“ Somit kann also durch eine mobile Anwendung ein vertiefter Bildzugang in Kunstmuseen und womöglich gar ein intensiveres Kulturerlebnis erreicht werden.
Und wie steht es um das jüngere Publikum? Im zweiten Jugend KulturBarometer (Vgl. Keuchel in Mandel 2016) wurden Personen im Alter von 14-25 zu ihrem Kulturinteresse befragt. Als geeignete Maßnahmen, um ihr Interesse zu fördern, wurde der Wunsch nach einem jugendgerechterem Ambiente genannt. Zudem sollten Kultureinrichtungen (mehr) auf altersangemessene und moderne Rezeptionsgewohnheiten eingehen, für “Aktion und Spannung” sorgen, Bezug zur Lebenswelt herstellen und Themen wie Medien, Werbung, etc. aufgreifen (Vgl. Keuchel in Mandel 2016)

Abschließend lässt sich also sagen, dass die Datenanalyse unterstreicht, was seit Lagem in der Kulturbranche gefordert wird: Partizipation, Offenheit, Einbezug der Interessen, die Möglichkeit, individuell Informationen abzurufen, zu kommunizieren usw. Es hat sich gezeigt, dass eine klug konzipierte App (und dabei muss so einiges beachtet werden!) diesbezüglich viele Vorteile bringen kann. Allerdings muss und wird dies nicht immer (allein) mit einer mobilen Anwendung geleistet werden…

Ich freue mich über Kommentare, Meinungen und natürlich auch über weitere Informationen oder Tipps!

Literatur:
Keuchel, Susanne: Quo vadis Kulturvermittlung? Ergebnisse des 2. Jugend-KulturBarometers. In: Teilhabeorientierte Kulturvermittlung. Diskurse und Konzepte für eine Neuausrichtung des öffentlich geförderten Kulturlebens. Hrsg. von Birgit Mandel. 1st ed. Bielefeld: transcript Verlag 2016. S. 79–87.

 


9 Gedanken zu “App-solut überflüssig?

  1. Hallo Anja,

    ich denke, du hast es völlig richtig auf den Punkt gebracht: eine App muss in eine Strategie eingebunden werden und sollte nicht allein für sich stehen. Eine Strategie, die die sozialen Netzwerke, die Internetseite der Kultureinrichtung, eine App, aber auch die „reale“ Präsenz und Interaktion vor Ort umfasst, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Hier geht es vor allem sowohl um die Verknüpfung vom Digitalen und Analogen als auch um die Ermittlung, welche Kanäle und Methoden für die jeweilige Kultureinrichtung überhaupt in frage kommen (viel hilft nicht immer viel :-)).
    Leider werden immer wieder zwei Aspekte deutlich, die diese analog-digitale Verknüpfung bzw. überhaupt eine Konzeption einer digitalen Strategie verhindern: das fehlende Geld und/ oder der fehlende Wille für diesen „neuen“ Weg, der gleichzeitig auch bedeutet, dass das Selbstbild überdacht und u.U. verändert werden müsste.

    Ein wichtiges Punkt sollte vielleicht auch noch genannt werden: die digitalen Angeboten müssen stets aktualisiert und angepasst werden. Einmal eine App zu erstellen und in den Appstore zu stellen, reicht nicht. Ich denke, dass dies häufig noch unterschätzt wird. Vielleicht trägt auch diese Haltung dazu bei, dass in vielen Studien immer wieder thematisiert wird, dass viele Apps nach der Installation nie wieder geöffnet werden. Der Nutzer/ Museumsbesucher muss Anreize erhalten, die App regelmäßig zu öffnen.

    Umso erfreulicher ist es, wenn wieder ein Museum eine digitale Strategie veröffentlicht und den Weg ins „Neuland“ wagt. 😉

    Viele Grüße
    Indira

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    1. Liebe Indira,

      danke für deine ergänzenden Gedanken. Ganz klar sollte das Digitale und Analoge verknüpft sein und sich sinnvoll ergänzen. Es gibt auch schon viele schöne Beispiele dafür, wie so etwas umgesetzt werden kann, ohne dass das Original oder Exponat hinter der Technik zurücktritt – sondern die Museumserfahrung unterstützt. Ganz vorne mit dabei ist wie immer die Tate, das Städel etc.

      Den Punkt der Kosten und der Wartung finde ich auch ganz klar erwähnenswert. Ich sehe es durchaus problematisch, wenn Museen viel Geld an Agenturen zahlen, die ein „aufgesetztes“ Programm entwickeln- nur um der Technik willen. Ich finde es auch spannend, dass du in deinem Blog das Google Cultural Institute erwähnst! Da muss ich mir die Möglichkeiten mal genauer ansehen.

      Ich hoffe auf jeden Fall auf eine Haltung im Museum, die nach den Besuchern und sinnvollen Konzepten frägt, statt Trends nachzulaufen oder an der Deutungshoheit festzuklammern…

      Liebe Grüße
      Anja

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