Die Stand-Up-Comedy-Szene in München ist mehr als überschaubar. Umso schöner ist es, dass im Bahnwärter Thiel monatlich die Möglichkeit besteht, sich auf der Bühne als Stand-Up-Comedian auszuprobieren. Ein Besuch des Formats „Entgleist“ im Januar zeigt aber – besonders originell muss Stand-Up-Comedy nicht unbedingt sein.
Wenn es nichts als Stereotype gibt
Fünf Künstler – allesamt männlich – gaben am Dienstag, dem 21. Januar, ihr Programm zum Besten. Ihre Vorerfahrung war dabei verschieden: Während der eine das erste Mal vor größerem Publikum auftrat, erklärte der andere, er würde mit seinen Auftritten seinen Lebensunterhalt bestreiten. Dementsprechend unterschiedlich fielen die Performances aus, dennoch hatten fast alle Auftritte eine Gemeinsamkeit: Ihre Witze waren beinahe ausschließlich rassistischer oder sexistischer Natur.
Nun ist die Frage, welche Grenzen Humor überschreiten darf, eine umstrittene. Muss Humor politisch korrekt sein und ist er dann überhaupt noch witzig? Ist es gerade im Stand-Up-Comedy-Bereich nicht gang und gäbe, Stereotypen zu bedienen und diese besonders gekonnt in Szene zu setzen?
Selbst wenn man diese Frage außen vor lässt, lässt sich über die Originalität der Stand-Up-Künstler bei „Entgleist“ streiten. Wer sein Programm damit einleitet, man(n) würde nun über Frauenthemen sprechen, da das Publikum maßgeblich weiblich sei (ansonsten würde er „übers Ficken“ reden – warum das kein Frauenthema sein soll, wenn diese bei dem Thema doch nicht selten beteiligt sind, wurde leider nicht erläutert), der muss vielleicht gerade bei einem hauptsächlich weiblichen Publikum mit einer kritischen Haltung rechnen. Der vierte Künstler hatte wohl schon realisiert, dass die rassistisch und sexistisch angehauchten Kalauer seiner Vorgänger nur mäßig im Publikum ankamen. Umso mehr betonte er, genau über Sexismus bescheid zu wissen. Seine vorgegebene Fortschrittlichkeit reichte allerdings nicht einmal bis zur nächsten Pointe, die darin gipfelte, dass Frauen auch 2020 nicht einparken könnten. Damit zeigte der Künstler letztlich nur, dass nicht nur sein Frauenbild, sondern auch seine Originalität in etwa im Jahr 2005 stehen geblieben ist.
Das Publikum entscheidet
Das Beste am vergangenen Dienstag waren deshalb nicht die Comedians, sondern das Publikum. Denn die meisten Witze rassistischer oder sexistischer Art kamen schlicht nicht gut an. Gelacht wurde – wenn überhaupt – verhalten und die Künstler kamen zwischendurch sichtlich ins Schwitzen. Vielleicht (und hoffentlich) kann dieses ausbleibende Lachen die Künstler mehr zum Umdenken bringen, als es jede Belehrung mit erhobenem Zeigefinger tun könnte. Orientieren könnten sie sich am letzten Auftritt des Abends. Lässig und souverän gelang es Gagan Gopi, das Publikum ganz ohne stereotype Witze zum Lachen zu bringen. Wie ihm das gelang? Mit Situationskomik – und einer ordentlichen Prise Selbstironie.