Als ich den Aufruf zur Blogparade zum #perlenfischen las, kreisten mir schnell die wildesten und kuriosesten Museen durch den Kopf – beispielsweise das International Museum of Toilets in Neu Deli, das Parasitenmuseum in Tokio oder das Sex Museum in Amsterdam (nichts für eher sensible Gemüter, ich spreche aus Erfahrung…). All diese spannenden Beispiele sind sicher einen Besuch wert! Sie bekommen allerdings durchaus bereits Aufmerksamkeit durch ihre Besonderheit. Deswegen habe ich zu diesem Anlass ein kleines aber feines Schmuckstück aus meinen heimatlichen niederbayerischen Gewässern gefischt: Das Berta-Hummel-Museum in Massing.
Beim Stichwort Berta Hummel erinnert man schnell die pummeligen, süßlich-kitschigen Kinderfigürchen, die sich vorwiegend auf Omas Kaminsims tummeln. Das Museum allerdings zeigt eindringlich, welche starke und beachtenswerte Künstlerin sich hinter der vermarkteten Berta Hummel verbirgt. Eingebettet in das “Hummelhaus“, seit Generationen im Besitz der Familie, wird die vielschichtige Künstlerin und deren Werk liebevoll präsentiert. Eine besondere Authentizität entfaltet sich durch den Flair des Geburtshauses. In der elterlichen Wohnstube beispielweise klingt der Charme vergangener Zeiten an, unter deren Umständen Berta Hummel aufwuchs.

Die bekannten Hummelfiguren befinden sich nur im Eingangsbereich – im Museum soll die andere Berta gezeigt werden, so Alfred Hummel, der Museumsleiter und Neffe Berta Hummels. Zu sehen sind Aktzeichnungen, Blumenstücke und Stillleben, Landschafts- und Stadtansichten, Kinderstudien und Vieles mehr. Persönlich finde ich die Portraits und Menschendarstellungen am spannendsten, wo ein freier und doch treffender Umgang mit Farbe und Form erkennbar ist. In den Aquarellen mit kräftigen Farben ist ein Spiel von Präzision und Leichtigkeit zu sehen, teilweise auch eine Tendenz zur Abstraktion.


Viele dieser Werke entstanden während Berta Hummels Studium an der Akademie für Angewandte Kunst in München. „Die Studienjahre in München können rückblickend als ihre kreativsten und wohl auch glücklichsten betrachtet werden. […] Die Staatsprüfung im März 1931 bestand sie mit Note „Eins“ als weitaus Beste ihrer Klasse. Umso überraschender traf alle ihr Entschluss, ins Kloster einzutreten.“, so auch auf der Website des Museums nachzulesen.
So wollte Berta Hummel (ab da „Maria Innocentia“ genannt), die seit jeher religiös verwurzelt war, womöglich ihren Glauben und die Kunst verbinden und der unruhigen Zeit im Lande entfliehen. Konkrete Gründe für ihren Klostereintritt sind weiterhin unklar. Kurz nach ihrem Eintritt ins Kloster erschien das erste „Hummelbuch“ und ersten Hummelfiguren (die auf ihre Zeichnungen zurückgehen) wurden in der Prozellanfabrik Goebel produziert. Der große Anklang der heimelig-naiven Szenen sind vermutlich gerade dem Gegensatz zu den sich zuspitzenden Zuständen in der beginnenden NS-Zeit geschuldet. Wie sich Berta Hummel entgegen ihrer eigentlichen Wünsche den Interessen des Klosters, des Verlags und der Manufaktur beugte und die Produktion der Figuren zuließ, wird im Museum und in einem umfangreichen Artikel der Zeit eindrucksvoll geschildert. Die spannende Lebensgeschichte einer starken Frau und Künstlerin, die leider bereits im Alter von 37 Jahren verstarb, hat mich wahrhaft gefesselt.
Die Porzellanfigürchen sind bis heute ein gigantischer Erfolg – über 20 Millionen sind bisher verkauft und stellen häufig noch ein Symbol Deutschlands dar. Wie international bekannt die Hummelfiguren wurden, betont auch die Hummelmanufaktur, in der heute die Figuren hergestellt werden: „Schon die ersten GIs, die nach Deutschland kamen, tauschten Zigaretten und Konserven gegen Hummelfiguren. Heute besitzt nicht nur Betty Ford, einstige First Lady eine Vitrine voller Hummelfiguren. Ronald Reagan bekam bei einem Bonn-Besuch das Sängerquartet als Geschenk.“
Spannend (und vermutlich auch kontrovers betrachtbar) finde ich auch das Projekt von Veronika Hummel, Berta Hummels Großnichte. In einem kleinen Laden in Regensburg und online verkauft sie ihre moderne Interpretation der Hummelfiguren in schwarzem Anstrich.

Bei meiner ganzen Faszination über Berta Hummel vergaß ich fast das eigentliche Thema meines Beitrags – das Museum.
Hier finde ich auch schön, dass sich das Museum laufend in wechselnden Ausstellungen neu präsentiert. So wird Berta Hummels Werk immer wieder mit anderen Künstlern wie Honoré Daumier, Käthe Kollwitz oder Lovis Corinth in Kontext oder Gegenstatz gestellt und stets neue Punkte ihres künstlerischen Werks untersucht.
Besonders freue ich mich auf die anstehende Ausstellung „Picasso & Hummel“, die ab 24. Mai zu sehen sein wird. In zwei Räumen werden Lithographien, Collotypien, Radierungen sowie eine Keramikschale von Picasso Berta Hummels Werken gegenübergestellt. Berührungspunkte und Vergleichsmöglichkeiten können sich beispielsweise thematisch in Aktzeichnungen und Blumenmotiven finden.

An dieser Stelle möchte ich auch ein großes Lob an den Onlineauftritt des Museums aussprechen. Die Website ist übersichtlich aufgebaut, viele Hintergrundinformationen und Bilder sind aufrufbar. Außerdem ist das Umschalten auf die englische Version möglich, in der sich alle Inhalte übersetzt präsentieren. Für ein kleines und ländliches Museum eine beachtliche Leistung! (Man bedenke an dieser Stelle, dass Massing ein Markt mir gerade etwas mehr als 4.000 Einwohner ist!) Nicht alle Museen der Kulturhauptstadt München können mit einer inhaltsgleichen englischen Version aufwarten…
Zudem präsentiert sich das Museum auch auf einer aktiven Facebook-Seite. Schön finde ich, dass dort neben allgemeinen Informationen z.B. zu Sonderöffnungszeiten auch Inhalte präsentiert -man könnte fast sagen vermittelt- werden. Dies ist an verschiedenen Posts zu sehen: Beispielsweise werden Zeichnung und Figur einander gegenübergestellt oder, wie im unten stehenden Scereenshot zu sehen, Hintergrundinformationen gegeben. (Das erinnert mich direkt an Social-Media-Strategien einiger Museumsriesen.)
Insgesamt zeigt sich hier also ein sehr aktives Museum. Über die Neuigkeiten der Website bekommt man einen schönen Überblick über einige interessante Angebote, darunter der 13. Berta-Hummel-Lauf, Malaktionen und vieles mehr.

Abschließend hoffe ich, dass mein Blogbeitrag den Blick für dieses spannende und authentische Museum abseits der größeren Kulturmetropolen und Hauptstädte schärfen konnte. Der Aufruf zum #perlenfischen bot dafür eine hervorragende Möglichkeit. In diesem Kontext möchte ich allgemein meine Wertschätzung für diejenigen kleineren bzw. unbekannteren Museen aussprechen, die liebevoll ihrem musealen Auftrag nachkommen und meiner Meinung nach einen wichtigen Beitrag in ihrem Umfeld leisten.
Zudem mein herzlicher Dank an das Hummelhaus und Fr. Dajana Fascicolo für das bereitgestellte Bildmaterial!
Liebe Anja,
herzlichen Dank für deinen Beitrag zum #perlenfischen – auch noch zu einem bayerischen Museum! Ein wunderbares Plädoyer für kleine, aber dennoch charmante Häuser ist da entstanden. Auch deine Sicht auf Berta Hummel als starke Künstlerin war eine tolle Bereicherung für unsere Blogparade. Wir hoffen, du konntest damit nicht nur uns, sondern auch einige andere Leser zum Nachdenken und Entdecken anregen.
Herzliche Grüße,
Jana, Sabine und Anna
Redaktionsteam Museumsperlen
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